Die Ziele sind klar: Forschung zu wissenschaftlich-technischen Fragestellungen zur Dekarbonisierung energieintensiver Industriebereiche und zur nachhaltigen Stromerzeugung und -speicherung. Dazu zählen die Entwicklung von Hochtemperatur-Wärmepumpen einschließlich der Option, fossile Kraftwerke in kohlenstoffarme Energielieferanten umzuwandeln (Third Life of Coal Fired Power Plants) sowie die Bereitstellung von erneuerbarer Hochtemperaturwärme für energieintensive Industriezweige.

Zur Standortentscheidung hat auch die Hochschullandschaft Zittaus beigetragen. In engem Austausch mit der ansässigen Hochschule und dem Fraunhofer Institut wird sich die Anziehungskraft der Region für eigene Absolventen und starke Experten von außerhalb erhöhen. Der Forscher Viktor Sipos-Jozsa hat sich bereits für Zittau als seine neue Wahlheimat entschieden. Wir sprachen mit ihm über seinen persönlichen Weg nach Sachsen, seine Forschung und die hiesige Forschungslandschaft.

Herr Sipos-Josza, Sie wohnen in Zittau und arbeiten hier als Forscher beim DLR. Sind Sie der Stelle wegen in die Oberlausitz gezogen? 
Nein, ich bin im September 2019 nach Zittau gekommen und habe hier als Konstrukteur für Stahlkonstruktionen gearbeitet. Zuvor habe ich in Breslau gewohnt und hatte über meine dortige Firma Kontakte zu einigen sächsischen Unternehmen. Ich wusste also bereits, dass es hier viele kompetente Experten gibt, was meine Entscheidung für einen Umzug beeinflusst hat.


Wie wurden Sie in Sachsen aufgenommen? Fühlen Sie sich schon heimisch?
Ja, ich fühle mich sehr gut in Sachsen und würde Oybin, Jonsdorf und Eichgraben als meine Lieblingsorte bezeichnen. Abends gehe ich gern in den Wäldern laufen. In der Umgebung Zittaus kann man aber auch wunderbar wandern und entspannen, was ich im Leben eines Ingenieurs sehr wichtig finde. Denn der Job ist zwar oft psychisch anstrengend, aber nicht zwingend physisch. Viel Bewegung hilft, fit zu bleiben.

Gibt es etwas, das Sie an Sachsen – neben der Natur – besonders mögen?
Die Menschen. Sie sind sehr hilfsbereit, was ich während dieses Jahres mehrmals erfahren habe. Da ich Polnisch und auch ein bisschen Tschechisch spreche, komme ich auch mit Menschen aus den Nachbarländern in Kontakt.

Deutsch, Tschechisch, Polnisch – Sprachen, die zwar im Dreiländereck gesprochen werden. Doch wie kommen Sie dazu, sie alle zu beherrschen?
Ich habe an der technischen Universität von Budapest (Ungarn) Maschinenbau studiert. Ich entschied mich, nach meinem Bachelor- und Masterstudium Industrieerfahrung zu sammeln. Also blieb ich zwei Jahre in Ungarn bei einer Firma in der Kraftwerkstechnik. Dort haben wir pneumatische Förderungssysteme für Wärmekraftwerke geplant. Danach habe in Breslau (Polen) als Konstrukteur gearbeitet, habe aber auch SPS-Steuerungen programmiert. Anschließend führte mich mein Weg letztes Jahr nach Zittau.
 

Und hier schließlich zu einer Stelle als Forscher beim DLR…
Richtig. Seit März 2020 arbeite ich beim DLR am Standort Zittau. Das Institut für CO2-arme Industrieprozesse hat noch einen zweiten Standort in Cottbus. Beide sind gerade noch im Aufbau, was bedeutet, dass wir ganz viele neue Kollegen haben. Und alle haben Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen mit sich gebracht.

Trotz Aufbau gibt es bereits eine Menge zu tun. Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt am DLR?
Ich widme mich mittel- und langfristig dem Thema Wärmetauscher, stehe aber aktuell noch am Anfang der Forschung. Wir hatten bereits einige interessante Besprechungen mit dem Fraunhofer Institut sowie der Hochschule Zittau/Görlitz. Es gilt zu klären, wie wir bei unserer Anlage in Zittau die neuesten Innovationen aus den Bereichen Werkstoff-, Fertigungs- und Strömungstechnik nutzen können. 

Das klingt – wie zu erwarten – nach viel Hightech. Welche Vision treibt Sie in Ihrer Forschung an?
Dank schnelleren und besseren Rechnern können Ingenieure heutzutage komplexere Aufgaben lösen, als das früher der Fall war. Das ermöglicht es uns, industrielle Prozesse entscheidend zu verbessern. Mit meinen fachlichen Kenntnissen in CAD (Computer-Aided Design), CFD (Computational Fluid Dynamics) und FEM (Finite-Elemente-Methode) kann ich dazu beitragen.

Inwieweit ist der Aufbau der Forschungsstandorte in Zittau und Cottbus dabei entscheidend?
Für den Erfolg ist es wichtig, langfristig nutzbare Versuchsanlagen aufzubauen. Als Ingenieur ist es immer sehr erfüllend, etwas aufzubauen, das sicher und entsprechend seiner Aufgabe funktioniert. Das sind die wesentlichen Punkte. Zur Zeit beschäftige ich mich mit Rohrleitungen, also ist es für mich wichtig, jetzt alles so bedenken, dass wir später im Betrieb der Anlagen zuverlässige Messungen durchführen können.

Bringt Sachsens Forschungslandschaft dafür Ihrer Meinung nach Vorteile mit sich?  
Ich denke, dass der Austausch zwischen den Ländern Deutschland, Tschechien und Polen in vielen Bereichen besser geworden ist. Das ist wichtig, weil die Ingenieurausbildung in diesen Ländern ein hohes Niveau hat. Zudem bietet die geographische Lage Sachsens mit ihrer Nähe zu Städten wie Breslau oder Prag viele Möglichkeiten. Und letztlich sind viele Firmen im Anlagenbau, Verfahrenstechnik, Stahlbau in Sachsen tätig. Die Grundlagen erfolgreicher Forschung sind also vorhanden.

Dipl. oec. Karin Eichentopf,
Leiterin Administration und Infrastruktur beim DLR in Zittau

"Beim DLR sind Frauen zahlenmäßig insgesamt eine Minderheit – vor allem im wissenschaftlich-technischen Bereich. Das spiegelt sich auch in unserem Institut am Standort Zittau wieder. Mehr junge Frauen gerade aus den MINT-Bereichen für das DLR zu gewinnen, ist uns daher ein wichtiges Anliegen. 
Die Vielfalt der Beschäftigten wird als große Chance und Potenzial für das DLR als Forschungseinrichtung gesehen. Durch die Ausrichtung unserer Personalpolitik (familienbewusst, chancengerecht, diversitätssensibel) fördern wir  die unterschiedlichen Talente gezielt und schaffen gleichzeitig ein tolerantes und wertschätzendes Arbeitsumfeld – auch an unserem Standort in Zittau. Wir wünschen uns daher sehr, dass in unserem Team zukünftig auch Wissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen begeistert und engagiert an der Umsetzung unserer Forschungsaufgaben mitwirken."
 

Nutzen Sie beim Aufbau des DLR-Standortes auch die Kompetenzen regionaler Unternehmen?
Anders wäre es kaum möglich, den Standort so schnell aufzubauen. Wir versuchen, mit Firmen aus Sachsen zusammenzuarbeiten, weil deren Kompetenz in allen ingenieurtechnischen Bereichen schon vorhanden ist.

Auch an der Hochschule von Zittau/Görlitz und dem Fraunhofer Institut zum Beispiel gibt es sehr kompetente Experten. Ich bin davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit uns weiterbringt. Wir müssen bloß den Kontakt miteinander aufnehmen.

Apropos: Welchen Tipp würden Sie Studierenden, Berufeinsteigenden und Experten/-innen geben, die sich für die Arbeit am DLR-Standort interessieren?
Ich möchte die Möglichkeit ergreifen, Studierende zur Forschung zu ermuntern. Denn beim DLR stehen die besten Softwarelösungen zur Verfügung, was schonmal sehr wichtig ist. So kann man sehr effektiv und schnell entwickeln. Außerdem helfen uns Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten, den Berufseinstieg nach dem Studium zu erleichtern. Besonders wohlfühlen werden sich diejenigen, die sich für Strömungslehre, Turbomaschinen, Festigkeitslehre, Thermodynamik oder Automatisierungstechnik interessieren. Ihnen möchte ich sagen: Forscht und entwickelt mit uns an CO2 armen Industrieprozesse am Standort Zittau des DLR.

Schöne Schlussworte, Herr Sipos-Josza. Wir freuen uns und danken Ihnen sehr, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen konnten.
 

Bildnachweis: Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt Zittau; Karin Eichentop/Privat; Viktor Sipos-Jozsa/Privat