Haben Sie eine besondere Inspirationsquelle hier im Freistaat?
Ich bin gebürtiger Torgauer und schätze an den Menschen in meiner Heimat ihre Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit. Besonders schön finde ich auch das sächsische Selbstverständnis der Pflege von guten Nachbarschaftsbeziehungen. Tatsächlich führen mich meine eigenen Wurzeln sowohl beruflich als auch privat immer wieder nach Torgau zurück, ich finde das gesamte Elbtal und das Elbsandsteingebirge sehr inspirierend.

Wie ist Ihr persönlicher „Glas-Werdegang?“
Während meines Studiums des Fachs „Glashüttenkunde“ Ende der 60er Jahre an der Bergakademie Freiberg habe ich bemerkt, wie stark das Thema Glas mystifiziert und von persönlichen Erfahrungen geprägt war. Damals konnten die Prozesse der Glasherstellung noch nicht mathematisch und physikalisch hinreichend erklärt werden. Mein Erkenntnisdrang hat mich in meinem gesamten beruflichen Werdegang angespornt und auch heute gibt es noch unbeantwortete Fragen in der Glasherstellung.

Was macht Glas so spannend?
Die Vielfältigkeit der Prozesse der Glasherstellung sind schier unerschöpflich. Es ist ein weit gespannter Bogen an Variablen und Faktoren, von Fragen der Qualität ausgehend hin zu den vielen Nebenprozessen der Glasproduktion.

Haben Sie eigentlich ein Lieblingsprodukt aus Glas?
Ich habe sehr viel Glas zu Hause und meine besondere Affinität gilt dem Flachglas.

Was ist der größte Glas-Mythos, dem Sie begegnet sind?
Zu meiner Studienzeit glich zum Beispiel die Flachglasherstellung eher einem alchemistischen Unterfangen in einem Versuchslabor. Das Expertenwissen war in traditionsreichen Rezeptbüchern festgehalten. Ich wollte die alchemistischen Glas-Mythen aufschlüsseln und das Vorgehen und die Prozesse bei der Glasherstellung wissenschaftlich beschreiben.

Mich fasziniert Sachsens Historie als innovativer Industriestandort. Ausgehend vom wetteifernden August dem Starken, der sich selbst als Gott auf dem Planeten sah und immer verrücktere Veränderungspläne für die Welt ersann, hin zum sächsischen Wissensdurst und der Experimentierfreude im Zuge der Industrialisierung.

Wolfgang Räbiger

Warum unterstützen Sie den GlasCampus Torgau?
Mit meiner über 45-jährigen Berufserfahrung möchte ich hier nicht nur Erfahrungen weitergeben, sondern mit meinem eigenen Drive für das Thema Glas begeistern. Lebenslanges Lernen ist für mich der Motivator und so bin ich wiederum ein Motivator für die TeilnehmerInnen des GlasCampus. Zudem hat die Glasbranche nur einen maßgeschneiderten Ausbildungsberuf, und zwar den des Flachglastechnologen, der dem Spektrum der glas-, keramik- und baustoffverarbeitenden Gewerke nicht gerecht wird.

Wo sehen Sie den Glasstandort Torgau und den GlasCampus in 10 Jahren?
Glas war für Torgau bis zur Wende ein bestimmender Faktor. Seitdem leidet die Glasindustrie leider unter hohem Konkurrenzdruck aus dem Ausland. Ich sehe große Chancen zum Beispiel in der Solarglasproduktion oder auch im Bereich Recycling. Ich wünsche mir, dass sich mit dem GlasCampus Torgau breit aufgestellte Angebote zur beruflichen Weiterbildung in der Glasindustrie etablieren. In 10 Jahren sehe ich hier namenhafte WissenschaftlerInnen auf dem Glasgebiet ein- und ausgehen, die die praktische Bildung leben und die ihr Fachwissen, innovativen Fragestellungen und Ideen an die Player der Glasindustrie zurückspielen.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft an die KursteilnehmerInnen in dem Basiskurs „Glashüttentechnologie“ für Quereinsteiger am GlasCampus Torgau? 
Meine wichtigste Botschaft ist die Begeisterung für lebenslanges Lernen. Und natürlich möchte ich gern diese Begeisterung auf das Thema Glas und seine Potentiale übertragen.

Interview: Anke Hänel für die Fachkräfteallianz Nordsachsen